Seide aus der Schweiz - Fibershed Talk mit Ueli Ramseier, Gründer von Swiss Silk

von Kathrin, März 2024

Anfang des Jahres war in unserem online-Format “Fibershed Talks” Ueli Ramseier von Swiss Silk zu Gast. Es entspann sich an diesem Abend unter allen Teilnehmenden ein sehr inspirierendes Gespräch über die Vielseitigkeit landwirtschaftlicher Betriebe, genossenschaftliches Produzieren landwirtschaftlicher Erzeugnisse, Preispolitik und sinnvolles wirtschaftliches Wachstum. Eine Zusammenfassung.

Wer ist Swiss Silk und was wird dort gemacht?

Swiss Silk ist eine Vereinigung von mittlerweile 15 Schweizer Seidenproduzent*innen. Sie alle ziehen Seidenraupen auf, die anschließend gesammelt und gemeinsam verarbeitet werden. 

Von der Pflanze über das Tier bis zum fertigen Textil arbeiten alle beteiligten Personen zusammen, um hochwertige Produkte in einer transparenten Lieferkette herzustellen. Das Geschäftsmodell basiert auf der Kreislaufwirtschaft. Alles, was bei der Seidenproduktion anfällt, wird verwertet: nicht nur die Seide, auch die Puppen werden als Kleintierfutter und der Kot der Raupen als Dünger verkauft.

Maulbeerbäume bei Swiss Silk. Photo Credit: Swiss Silk.

 

Historische Einordnung der Seidenproduktion

Noch im 19. Jhd wurden in der Schweiz über eine halbe Million Maulbeerbäume angebaut. Im Tessin haben sie sich am längsten gehalten, wohl auch, weil diese Region besonders arm war und die Seide ein Zusatzeinkommen darstellte, das woanders nicht mehr benötigt wurde. Bis vor dem 1. Weltkrieg wurden Raupen und Maulbeerbäume gezüchtet, dann führten der gleichzeitige Ausbruch einer Raupenkrankheit und die Öffnung des Suez-Kanals zu einem deutlichen Rückgang der Seidenproduktion in ganz Europa.

Seide aus der Schweiz - wie geht denn das?

Um Seide produzieren zu können, braucht man Land. Auf diesem Land wird dann der weiße Maulbeerbaum angebaut und von den Landwirt*innen selbst über Stecklinge vermehrt. Insgesamt gibt es über 2500 Varietäten dieser Maulbeerbäume,  36 von ihnen gedeihen in der Schweiz gut. Durch den Anbau verschiedener Maulbeer-Varietäten leistet Swiss Silk somit auch einen Beitrag zur Erhaltung dieser Vielfalt.

Ueli baut bei sich ca. 700 Maulbeerbäume an, die das Futter für die Raupen des Seidenspinners (Bombyx mori) liefern. Die Maulbeerbäume sind Niederstammbäume, so dass die Blätter (also das Futter) gut geerntet werden können. Wenn die Produktion läuft, fressen die Raupen pro Tag ca.100 kg Blätter.

Die Raupen von Bombyx mori schlüpfen aus Eiern, die Swiss Silk von einem Forschungsinstitut in Italien bezieht. Pro Anzucht schlüpfen dann ca. 15.000-20.000 Raupen, die vier Mal am Tag mit den oben erwähnten 100 kg Blättern gefüttert werden müssen - das ist also eine recht intensive Zeit für alle Beteiligten.

Wenn die Raupen ihr Schlupfgewicht verzehntausendfacht (!!) haben, verpuppen sie sich und bilden dabei den Seidenkokon, aus dem die Seide hergestellt wird. Die Kokons werden getrocknet und gelagert, bis alle Kokons von allen Bäuerinnen und Bauern im Herbst eingesammelt sind und gemeinsam verarbeitet werden können.

Was ist das Besondere an Swiss Silk?

Swiss Silk ist quasi wie eine SoLaWi (solidarische Landwirtschaft). Bis auf die Raupeneier wird vom Baum bis zum Textil fast alles in der Schweiz gemacht (ein Teil des Webens findet im Umkreis von wenigen 100 km in Italien statt). Es gibt einen Verein, der die Gemeinschaft der Produzent*innen unterstützt und z.B. eventuelle Ernteausfälle ausgleicht. Ziel des Vereins ist explizit die Ermöglichung und Schaffung von Nebeneinkommen in der Landwirtschaft.

Das Geschäftsmodell von Swiss Silk basiert auf Kreislauffähigkeit, alles wird wiederverwertet, nichts weggeworfen. 
Das Thema Tierschutz und Tierrecht in der Seidenraupenaufzucht wird bei Swiss Silk sehr ernst genommen. Wir haben das Thema im Talk nur gestreift, aber wer sich ein Bild davon machen möchte, kann sich hier über die Produktionsrichtlinien bei Swiss Silk informieren

Abhaspeln von Seidenkokons. Photo Credit: T. Rich

 

Der Austausch mit der Community

Nach dem Vortrag kamen wir miteinander ins Gespräch. Dabei ging es unter anderem um die Maschinen, die Swiss Silk verwendet, und wo man sie günstig bekommt. Ueli wusste jede Menge Tipps zu geben, von der Inbetriebnahme bis zur Wartung.

“Mit dem Kauf von Labormaschinen aus China haben wir bisher ausnahmslos gute Erfahrungen gemacht. Wir schauen sie hier zuerst mit einem Elektriker an, damit der Strom vorschriftsgemäß geerdet und alles korrekt verkabelt ist. Dann nehmen wir sie vollständig auseinander, damit wir verstehen, wie sie funktionieren. Und schließlich schauen wir, dass sie immer gut geschmiert sind.”

Es kamen auch etliche Fragen zum Geschäft: Wie macht ihr eure Preise? Bildet ihr auch aus? Was würdet ihr heute anders machen? Wie hoch ist die Nachfrage nach euren Produkten, was macht ihr, wenn mal eine Ernte komplett ausfällt?

“Etwas, das wir anders machen würden, wenn wir noch einmal am Anfang stünden, ist, die Preise höher anzusetzen. Jetzt müssen wir einen Teil der Arbeit ohne Bezahlung leisten, was für eine Organisation natürlich nicht nachhaltig ist.”

Ueli gab unermüdlich und sehr bereitwillig Auskunft, und hat mit dieser wunderbaren Antwort den Abend abgeschlossen:

“Wir möchten schon noch ein bisschen wachsen, ein paar produzierende Betriebe mehr haben, aber nur so viele, wie man noch Freundschaften unterhalten kann, denn alle Produzentinnen und Produzenten sind zu Freundinnen und Freunden geworden.”

Wenn Du Dich weiter zu Swiss Silk informieren möchtest oder Fragen hast, wirst du auf ihrer Webseite fündig.

Du willst keinen Fibershed Talk mehr verpassen? Schau gerne auf unserer Veranstaltungsseite nach, wann der nächste Talk ist - er wird sicher genauso spannend! 

Seidenkokons von Swiss Silk. Photo Credit: Swiss Silk.

 
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